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Selb, Hohenberg

Marguerite Friedlaender: Bauhaus-Pionierin schrieb Porzellangeschichte


Entwürfe der großen Porzellandesignerin sind ab dem 9. März 2019 in der Ausstellung „REINE FORMSACHE – Vom Bauhaus-Impuls zum Designlabor an der Burg Giebichenstein“ im Porzellanikon zu sehen

SELB/HOHENBERG A.D. EGER. Sie war junge Bauhaus-Künstlerin, erste leitende Keramikmeisterin einer bedeutenden Kunstschule der Weimarer Republik und prägte als innovative Porzellan-Designerin die Porzellangestaltung über Jahrzehnte: Marguerite Friedlaender. Die Erfinderin der legendären Halle‘schen Form sowie weitere vom Bauhaus inspirierte Pioniere und Visionäre des Porzellandesigns damals und heute stehen im Mittelpunkt der Ausstellung „REINE FORMSACHE – Vom Bauhaus-Impuls zum Designlabor an der Burg Giebichenstein“, die vom 9. März bis 6. Oktober im Porzellanikon – Staatliches Museum für Porzellan an gleich zwei Standorten in Oberfranken zu sehen ist.

Befreiungsschlag: Vom Bauhaus in Weimar an die Burg Giebichenstein, Halle
Inspiriert durch einen Bauhaus-Prospekt hatte sich die 23-jährige Marguerite Friedlaender (1896–1985) zum Wintersemester 1919/20 am Bauhaus in Weimar eingeschrieben. Davor hatte sie bereits in Lyon, Berlin und Folkstone gelebt, einige Semester in Berlin Angewandte Kunst studiert, eine Lehre als Holzbildhauerin absolviert und als Entwerferin für Porzellandekor gearbeitet. Nach ihrem Abschluss am Bauhaus war Friedlaender drei Jahre als Gesellin tätig. Als im Jahr 1925 die Keramikklasse am Bauhaus durch den Umzug nach Dessau geschlossen wurde, wechselten Marguerite Friedlaender und weitere bedeutende Porzellandesigner und -Designerinnen an die Burg Giebichenstein in Halle. An der nur wenige Jahre zuvor gegründeten Kunstgewerbeschule setzten sie ihre Lehrtätigkeit fort. Den Wechsel an die Burg Giebichenstein empfand Friedlaender als Befreiungsschlag, schließlich konnte sie sich mit der seit 1923 gültigen, industriefreundlichen und vermeintlich handwerksfeindlichen Bauhaus-Losung „Kunst und Technik – eine neue Einheit“ nicht anfreunden. Die Burg, an der sie von 1925 bis 1933 lehrte, war für Friedlaender eine „eigentliche Besserung der Idee des Bauhauses“; nun konnte sie „ohne fortwährend intellektuelle Begriffe zu kauen“ befreiter arbeiten als zuvor am Bauhaus.

Erste Meisterin ihres Faches
Als erste weibliche Töpfermeisterin Deutschlands leitete Marguerite Friedlaender dort die neugeschaffene Keramikabteilung. Ab 1929 stand sie auch der ebenfalls neu eingerichteten Porzellanwerkstatt vor. Im gleichen Jahr entwarf sie das Kaffee- und Teeservice „Halle“ sowie die Halle-Vasenserie, die bis heute von der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin hergestellt werden. Mit dem Service setzte Friedlaender neue Maßstäbe im Porzellandesign: zu dieser Zeit war Weißporzellan mit sachlich moderner Formgebung als Tischgeschirr ein absolutes Novum. Innerhalb von zehn Jahren (1923–1933) entwarf sie neben der „Halle“-Serie fünf weitere Service; insgesamt entwickelte Friedlaender 59 Einzelformen für KPM und prägte über Jahrzehnte die Porzellangestaltung. Stellvertretend für ihr umfangreiches Werk werden in der Ausstellung etliche Teile aus der Halle-Serie, das Tafelservice „Burg Giebichenstein“ und das Teeservice „Five o’Clock“ gezeigt.

1933 – Emigration und neues Leben in den USA
Die ausgesprochen schöpferische Zeit in Halle, die Friedlaenders Werk nachhaltig geprägt hat, endete jäh, als 1933 die Nazis an die Macht kamen und die angesehene Porzellandesignerin und viele ihrer Kolleginnen und Kollegen wegen ihres jüdischen Hintergrunds entließen. Friedlaender emigrierte zunächst in die Niederlande, später in die USA, wo sie 1942 zusammen mit anderen Künstlern aus aller Welt (darunter auch ihr Ehemann, der Keramiker und ebenfalls Bauhaus-Absolvent Franz Rudolf Wildenhain) das Kunstzentrum "Pond Farm" bei San Francisco gründete. Gerhard Marcks, der gemeinsam mit Friedlaender vom Bauhaus an die Burg gewechselt und ihr zeitlebens eng verbunden war, sagte einmal über sie: „Sie kann Alles, und Alles am besten…“. Marcks bedeutende Rolle in der Porzellangestaltung wird in der Ausstellung ebenfalls beleuchtet.

Pressebilder zur Ausstellung in Druckfähiger Qualität finden sie hier.

Kaffeeservice „Hallesche Form“, Entwurf: Marguerite Friedlaender-Wildenhain, 1930, KPM Berlin, Foto: Angela Francisca Endress, Bildrechte: © Porzellanikon

Teeservice mit Extraktkännchen „Hallesche Form“, Entwurf: Marguerite Friedlaender-Wildenhain, 1930, Dekor: „Goldringe“, Trude Petri, Produktionszeitraum: 1930 – ca. 1953, Staatliche Porzellan-Manufaktur Berlin, Leihgabe: Joachim Rossow, Fotografin: Angela Francisca Endress, Bildrechte: © Porzellanikon